Interview: Armin Scharf
Fotos: Braun-Steine GmbH und Armin Scharf

 
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BRAUN-STEINE GMBH INTERVIEW
„Auch ein Stein ist Design!“

Ein Pflasterstein sollte grundsätzlich kein Low-Interest-Produkt sein, im Gegenteil. Vor allem vor dem Hintergrund von Ressourcenverbrauch und Klimawandel müssen Freiflächen neu gedacht werden. Bei Braun-Steine ist man bereits intensiv dabei.

Die Flächenversiegelung in Städten und Landschaften geht munter weiter – trotz gegenteiliger Absichten und der negativen Auswirkungen für Wasserhaushalt, Klima und Biodiversität. Das hat man auch bei Braun-Steine erkannt und konsequent einen Pflasterstein entwickelt, der erfreuliche Antworten auf die ökologischen und funktionalen Anforderungen im urbanen Umfeld gibt. Konkret werden so Rezyklatmaterialien eingesetzt, Flächen entsiegelt und Fugen begrünt. Funktional durchdacht, sicher zu verlegen und sogar befahrbar, hat der Längsrasenfugenstein beim FOCUS OPEN 2023 eine Gold-Auszeichnung bekommen. Das ist auf den ersten Blick ungewöhnlich, auf den zweiten Blick logisch. Was es mit dem Stein auf sich hat, erläutert Andreas Brunkhorst, Innovationsmanager des mittelständischen Unternehmens mit Sitz in Amstetten.

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Ihr Längsfugenrasenstein „Vario“ hat den FOCUS OPEN in Gold gewonnen. Hätten Sie das erwartet?

ANDREAS BRUNKHORST: Ehrlich gesagt, sind wir ohne Erwartungen ins Rennen gegangen. Umso glücklicher sind wir heute, dass die Jury die Innovationskraft des Produktes erkannt hat.
 


Andreas Brunkhorst bei der Preisverleihung des Internationalen Designpreis Baden-Württemberg mit dem „FOCUS Gold“-Award für den Längsrasenfugenstein „Vario“.
Foto: Benjamin Stollenberg
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Ein Pflasterstein für Freiflächen hat auf den ersten Blick wenig mit Design zu tun. Oder doch?

ANDREAS BRUNKHORST: Auch wenn ein Stein nicht sofort mit Design assoziiert wird, steckt in jedem Pflasterstein eine gewisse Innovationskraft. Design entsteht ja immer aus einem Kontext heraus und dem Wunsch, ein Problem zu lösen. Der Einsatzort des Bodenbelags, die Funktion des Steins, der ästhetische Aspekt und viele weitere Einflussfaktoren bestimmen den kreativen Prozess. Konkret wollten wir eine Option schaffen, um Freiflächen in Städten zu entsiegeln, der Ansatz war also ökologisch. Daraus entwickelten sich dann die funktionalen und schließlich die ästhetischen Qualitäten. Design bei Produktentwicklungen außen vor zu lassen, ist eigentlich unmöglich. Nicht mal bei einem Stein. Aber Design muss nicht immer offensichtlich im Vordergrund sein.
 


 

Wie komplex war die Entwicklung am Ende?

ANDREAS BRUNKHORST: Wir haben uns zunächst die Frage gestellt, wie man Städte so gestaltet, dass sie trotz Klimaveränderung lebenswert sein können. Vor dem Start der eigentlichen Produktentwicklung schauten wir also erst mal 20 bis 30 Jahre nach vorne, um zu sehen, wie sich die Welt verändern wird. Und wir haben gesehen, dass man die urbanen Bodenflächen unbedingt entsiegeln muss, damit auch Starkregen versickern kann. Gleichzeitig kühlen entsiegelte Flächen besser, weil Wasser aus dem Boden verdunsten kann. Außerdem ist Grün wichtig für unsere psychische Befindlichkeit. Wir wollten die Flächen also so öffnen, dass sie durchgrünt werden. Deshalb mussten wir uns mit den Fugen beschäftigen. Wir wollten aber einheitliche Raster vermeiden und möglichst viele Anreize für kreatives Verlegen bieten. Und schließlich, als sei das noch nicht Herausforderung genug, sollten die Flächen auch befahrbar sein.
 

Jetzt kommt also die Funktionalität ins Spiel.

ANDREAS BRUNKHORST: Richtig. Das System ermöglicht variantenreiche Fugenbilder, in denen vielfältiges Grün wachsen kann – daher die Bezeichnung Vario. Die Steine haben Nocken, die ineinandergreifen und so unterschiedliche Kombinationen erlauben. Das hört sich einfach an, aber am Ende muss das Raster stimmen, damit die Fläche nicht aus den Fugen gerät, wenn ich das Wortspiel bemühen darf. Kurzum: Unser Produkt muss nicht nur schön sein, sondern auch funktionieren. Wir haben letztlich keinen Einzelstein entwickelt, sondern ein verständliches Gesamtsystem, das Bauherren und Planern viele Möglichkeiten bietet, Grün in die Bodenfläche zu bringen.
 


Der Längsrasenfugenstein „Vario“ ermöglicht variantenreiche Fugenbilder.
 

Aber sie mussten den Stein ja auch noch technisch entwickeln.

ANDREAS BRUNKHORST: Natürlich. Die Rezepturen entstehen ja nicht von alleine. Die verschiedenen Komponenten wollen exakt aufeinander abgestimmt sein. Und die Produktion muss in der Lage sein, die Steine mit minimalen Toleranzen herzustellen, sonst funktionieren Raster und Verzahnung nicht optimal.
 

Was ist denn in so einem Stein alles drin?

ANDREAS BRUNKHORST: Zum einen sind das sogenannte Gesteinskörnungen, also kleine Steine mit unterschiedlichen Größen. Diese Komponente besteht beim Vario aus 20 bis 30 Prozent Recyclingmaterial. Zusammengehalten wird das alles vom von Zementstein. Wichtig für uns ist, die Beton- und Ziegel-Rezyklate auch im sichtbaren Bereich einzusetzen und wir so mehr Primär-Gesteine einsparen als üblich. Denn nach wir vor wandern die meisten Gesteins-Rezyklate in Downcycling-Anwendungen, etwa in den Unterbau von Straßen. Aber die Rezyklate sind hochwertige Materialien, keineswegs Abfall. Wir nutzen in unseren Produktionsprozessen schon länger die Möglichkeiten des Upcyclings. Das Produkt Redotto-RC wurde 2019 bereits mit dem Focus Gold ausgezeichnet, seine Oberfläche ist gespickt mit grauen RC1- und roten RC2-Recyclaten. Eigentlich sollten wir künftig nicht mehr über Rezyklatanteile, sondern über den Anteil an Neumaterial sprechen.
 

Wenn wir den CO2-Rucksack eines Betonsteines betrachten, dann ist der Zement ein Treiber. Was lässt sich dagegen tun?

ANDREAS BRUNKHORST: Die Problematik des Zements liegt in seiner Herstellung, die bei Temperaturen um 1400°C im Drehofen abläuft. Das ist zum einen energieintensiv und zum anderen wird beim Brennen des Klinkers COfreigesetzt. Ein Ansatz ist, die Brenntemperaturen zu reduzieren oder Austauschstoffe zu verwenden, beispielsweise Puzzolane. Wir forschen hier selbst viel und optimieren unsere Rezepturen permanent. Es gibt viele Stellschrauben, dazu gehört auch, die Steine dünner zu machen, was den Bedarf an Rohstoffen reduziert. Beim Vario sparen wir außerdem Rohstoffe durch die großen Fugen, die dann auch noch ökologisch sinnvoll ergrünen.
 

Braun-Steine ist ein mittelständisches Unternehmen. Wieviel Entwicklung kann es sich leisten?

ANDREAS BRUNKHORST: Der große Vorteil eines KMUs ist seine Schnelligkeit. Wir haben kurze Entscheidungswege und sind ein schlagkräftiges Team. Es geht vor allem darum, die Themen offen zu denken und nach positiven Lösungen zu suchen. Wir lassen uns von anderen Bereichen inspirieren, recherchieren schnell und entwickeln die Dinge weiter. Dazu gehört zum Beispiel auch, als erster Hersteller Rezyklate der Sorte RC II sichtbar einzusetzen.
 

Wie wichtig ist für Sie die Ökobilanz eines Steines?

ANDREAS BRUNKHORST: Braun-Steine ist eines der wenigen Unternehmen der Branche, das sich tief in dieses Thema eindenkt. Wir beleuchten dabei nicht nur unsere Produktion, sondern auch vorgelagerte Bereiche und definieren Stellschrauben zur Optimierung des Footprints. Prinzipiell haben wir es mit drei Bereichen zu tun: Mit der Produktion, dem Abbau und Transport der Rohstoffe sowie dem Transport der Fertigprodukte. Wenn wir Transportwege verringern und die Produktgewichte reduzieren, dann wirkt sich das sofort auf die Bilanz aus. Wiederverwertungsstrategien gehören hier auch dazu.
 


 

Lässt sich alles so einfach recyceln?
ANDREAS BRUNKHORST: Nein. Wir müssen immer aufpassen, dass wir dabei keine Problemstoffe verschleppen. Sprich: Rezyklate müssen stets analysiert werden, ob sie während des Life-Cycles Schadstoffe aufgenommen haben. In einem hochwertigen Rohstoff darf derlei nicht enthalten sein. Das aber ist Aufgabe der Recycling-Unternehmen, also unserer Lieferanten. Und klar: Was bei uns an Produktionsresten anfällt, wird zu 100 Prozent wiederverwertet.
 
Zu guter Letzt: Wie wichtig ist für Braun-Steine die Auszeichnung mit dem FOCUS OPEN?

ANDREAS BRUNKHORST: Die ist schon sehr wertvoll, weil der Preis eine Bestätigung unserer Strategie ist. Umso mehr, da der Focus Open ein ganzheitlicher Preis ist, bei dem es um mehr als reines Design geht. Und es ist ein ehrlicher Preis, das passt bestens zu unserem Unternehmen.
 

BRAUN-STEINE GMBH

Das Familienunternehmen Braun-Steine hat seit 1875 mit Steinen zu tun und wird heute in der fünften Generation geführt. An den Standorten Amstetten und Tübingen werden mit über 100 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Steinsysteme für die kommunale Freiraumplanung, Straßengestaltung und hochwertige Gartenanlagen produziert. Derzeit umfasst das Portfolio etwa 2500 Produkte. Andreas Brunkhorst ist Innovationsmanager des mittelständischen Unternehmens. Bereits 2019 erhielt Braun-Steine für den Recyclingstein Redotto-RC einen „FOCUS Gold“.

braun-steine.de